
Fakten im Überblick
Wir von der IG „Stoppt den S-Bahn-Wahn im Kandertal“ bitten Sie, sich kurz Zeit zu nehmen, um Sie über unsere Bedenken bezüglich einer Reaktivierung der Kandertal-Strecke zu informieren. Hier finden Sie das wichtigste in Kürze zusammengefasst.
01
Kosten und Nutzen
Grafik 1

(Nahverkehrskonferenz; Reaktivierung Kandertalbahn, ; S. 6)
Grafik 2

(Nahverkehrskonferenz; Reaktivierung Kandertalbahn, ; S. 7)
Im Juli 2025 wurde die Entscheidung, ob die Leistungsphasen eins und zwei in Auftrag gegeben werden, im Kreistag auf Oktober verschoben, da der Kreis das Projekt nicht allein stemmen werde. In erster Linie geht es dabei um die Beteiligung der betroffenen Kandertalkommunen an der Finanzierung. Die Rede ist von 2,6 Mio. Euro allein für diese Vorplanung, von der die Hälfte auf die Anliegergemeinden verteilt werden muss.
Mit Blick auf die angespannte Lage in den kommunalen Haushalten hinterfragen wir als Einwohner die Vertretbarkeit, eine derart hohe Summe in die Hand zu nehmen für etwas, das dann vielleicht doch nicht realisierbar ist. Hinzu kommen unabsehbare Kosten für zusätzliche Infrastruktur (P&R Parkplätze etc.). Viel Geld, welches dann für andere wichtige Posten wie Erhalt von Straßen und Brücken, Feuerwehr mit Zivil- und Katastrophenschutz, Schulen und Kitas, Energie- und Wärmewende, Sportstätten, Schwimmbäder und Verwaltungs-gebäude etc. fehlt.
Für den tatsächlichen Ausbau der S-Bahn rechnet man, trotz erheblicher Zuschüsse von Land und Bund, für die anliegenden Gemeinden mit einem beachtlichen Anteil von 12,5 Millionen Euro für die Baukosten. Hinzu kommen noch die laufenden Betriebs- und Unterhaltskosten, denn nur bei einer entsprechend hohen Auslastung würde sich das Land an den Betriebskosten beteiligen. Erreicht die S-Bahn jedoch die gewünschte Auslastung nicht, bleiben die Kosten an den Kommunen im Kandertal hängen (Siehe Grafik 1 und 2). Die berechneten Fahrgastzahlen beruhen nur auf einer Schätzung. Will man dieses immense Risiko eingehen?
Wir denken, dass doch bereits im Vorfeld der Leistungsphasen eins und zwei klar sein sollte, wie die Kommunen die späteren 12,5 Mio. Euro aufbringen können und wollen. Falls es jetzt schon ersichtlich ist, dass diese gewaltige Summe zu schmerzhaften Einsparungen in anderen Bereichen führt bzw. bei der jetzigen finanziellen Lage überhaupt nicht aufgebracht werden kann, ist zu überlegen, ob man die 1,3 Mio. Euro Steuergelder für die Vorplanung erst gar nicht ausgibt.
Darüber hinaus wird gemäß der Nahverkehrskonferenz u.a. die Buslinie 55/200 durch die S-Bahn wegfallen. Die Buslinie kostet 900'000 Euro pro Jahr. Mit den geplanten S-Bahnkosten von 90 Millionen könnte die Buslinie 100 Jahre fahren und wäre viel flexibler bezüglich Anpassungen, auch im Hinblick auf das vielleicht doch nicht ganz so rasant ansteigende Bevölkerungswachstum.
02
Pendlerströme
Betrachtet man die Pendlerströme aus dem Kandertal (Siehe Grafik 3), so ist ersichtlich, dass diese hauptsächlich in Richtung Oberrhein, Wiesental sowie Richtung Müllheim führen. Ein deutlich geringerer Verkehrsstrom geht in Richtung Basel. Eine S-Bahn würde also lediglich einen kleinen Bruchteil der Verkehrsströme aus dem Kandertal bedienen. Nicht zu vergessen sei hier auch die steigende Entwicklung hin zum Jobrad (E-Bike) sowie der Trend zum Home-Office, wodurch der Anteil der potenziellen S-Bahn-Nutzer noch einmal geschmälert wird.
Fraglich ist außerdem, wo Kandern als Flächengemeinde mit den Teilorten Riedlingen, Feuerbach, Sitzenkirch, Tannenkirch und Holzen den Nutzen der S-Bahn sieht. Ein klares Argument für die Agglomeration Basel ist es, den motorisierten Individualverkehr in der Stadt zu reduzieren, indem die deutschen Pendler die Autos zuhause lassen. Hier möchten wir erwähnen, dass es bereits die Möglichkeit gibt, mit der Bahn nach Basel SBB zu reisen. Für unser Kandertal sind die Einstiegsmöglichkeiten Efringen-Kirchen, Eimeldingen und Haltingen. Werden dort gute Parkmöglichkeiten geschaffen und schafft man es politisch, gute Verbindungen bis nach Basel fahren zu lassen (u.a. Schnellbuslinie), sind das Ressourcen, die es zu nutzen gilt.
Grafik 3

(Raumkonzept Kandertal Schlussbericht Februar 2020, S. 49)
Grafik 4

03
Demographischer Wandel
Der demografische Wandel wird sich Berechnungen zu Folge auch im Kandertal bemerkbar machen: Im Jahr 2035 werden 50 % der Bevölkerung im Landkreis Lörrach über 65 Jahre alt sein. In Kandern und Malsburg-Marzell wird dies gemäß Prognosen sogar bei 60 % liegen. (Siehe Grafik 4) Das bedeutet auch, dass diese Bürgerinnen und Bürger nicht mehr im Berufsleben stehen und somit auch nicht mehr regelmäßig zur Arbeitsstätte pendeln.
(Raumkonzept Kandertal Schlussbericht Februar 2020; S. 26)
04
Nutzungsattraktivität
Bei Reaktivierung der Kandertalstrecke lägen die meisten S-Bahn-Haltestellen in Ortsrandlage. Steigert dies die Attraktivität, wenn sich zwar der Fahrtweg verkürzt, die Fußwege zur Haltestelle aber deutlich verlängern? Laut dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) sowie dem Landratsamt Lörrach (Fachbereich Verkehr), wird eine maximale Entfernung von 600 m zu einer Haltestelle empfohlen (Nahverkehrsplan Landkreis Lörrach Juli 2024, S. 51). Außerdem wird die "nahegelegene Haltestelle" von den ÖPNV-Nutzern im Landkreis Lörrach, gemäß einer Umfrage als wichtigstes Argument für deren Nutzung gesehen (Siehe Grafik 6). Auch im Raumkonzept 2040 wird klar geschrieben, dass im Falle der S-Bahn-Reaktivierung eine konsequente Anbindung der Bus- und Fahrradnetze an die S-Bahn und auch entsprechende Park-möglichkeiten mittels P&R gewährleistet werden müssen. (INFRAS, HHP, 2020, S.62). Damit ist klar, dass zusätzliche Zubringer-Buslinien benötigt werden, um die zukünftigen S-Bahn Haltestellen zu bedienen. Somit kann dann auch der Wegfall der 900'000 Euro jährlich durch die Einsparungen der Buslinie 55/200 nicht positiv für die S-Bahn gewertet werden.
Grafik 5

(Nahverkehrsplan Landkreis Lörrach Juli 2024, S 42)
05
Bevölkerungswachstum und Flächennutzung
Grafik 6

(Raumkonzept Kandertal Schlussbericht Februar 2020; S. 38)
Wir fragen uns in diesem Zusammenhang, wie sich z.B. Kandern und die Region entwickeln will. In den Entwicklungsleitlinien der Stadt Kandern ist in den ersten beiden Punkten zu lesen:
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1)"[…] den unverwechselbaren Charakter der Kernstadt und der Dörfer mit ihren traditionellen Ortsbildern bewahren und stärken."
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2)"[…] die umgebende Landschaft erhalten und pflegen."
Aus dem Raumkonzept 2040 geht hervor, dass das Kandertal hochwertig wachsen will innerhalb der Siedlungsgebiete (siehe Grafik 6). Das Einwohnerwachstum wird möglichst auf die bestehenden Siedlungsbereiche innerhalb des Kandertals konzentriert, um die Flächeninanspruchnahme im Außen-bereich zu reduzieren. Hierzu findet eine konsequente Aktivierung der Innenentwicklungspotenziale mit an den Charakter der Siedlungsgebiete angepassten Wohnbau-typologien statt. (INFRAS, HHP, 2020, S.65)
Oder bedeutet «hochwertig» überspitzt gedacht, dass das Kandertal der "Speckgürtel" von Basel wird? Im Raumkonzept wird von einem höheren Flächendruck in den Gemeinden des vorderen Kandertals Binzen, Rümmingen und Wittlingen gesprochen. (INFRAS, HHP, 2020, S.41) und in Kandern selbst sind die Bevölkerungszahlen rückläufig.
Dies sind nur einige unserer Fragen und Befürchtungen zu den Plänen der Reaktivierung der Kandertalbahn. Wir sehen für das Projekt keinerlei Mehrwert für unser Tal. Darüber hinaus plädieren wir dafür, dass das neue Buskonzept 2026 abgewartet wird, bevor das Prestigeprojekt mit 2.6 Millionen für die weitere Planung vorangetrieben wird.
